Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist eine Erkrankung, bei der im Blut, aber auch in den Lymphknoten, der Milz, der Leber und im Knochenmark bösartig veränderte B-Lymphozyten gefunden werden. Die B-Lymphozyten gehören zu den weißen Blutzellen und sind normalerweise im Körper für die Abwehr von Krankheiten und Fremdstoffen zuständig. Damit ist die CLL eine Erkrankung des lymphatischen Systems und wird zu den laut WHO-Klassifikation mehr als 100 verschiedenen Lymphom-Arten gezählt. Kennzeichnend für die CLL ist ihr häufig langsamer, schleichender Verlauf, weshalb die Erkrankung als chronisch bezeichnet wird. Im Gegensatz zu den meisten anderen Lymphomen verläuft die CLL immer leukämisch, das heißt, die Lymphomzellen lassen sich vor allem in großer Anzahl im Blut nachweisen. Zeigen sich die Zellen überwiegend in den Lymphknoten und weniger im Blut, handelt es sich um ein sogenanntes kleinzelliges lymphozytisches Lymphom, das aufgrund seines englischen Namens (engl. small lymphocytic lymphoma) auch mit den Buchstaben SLL abgekürzt wird. Die CLL und die SLL sind zwei Ausprägungen der gleichen Erkrankung und werden in gleicher Weise behandelt.

Häufigkeit & Ursache

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Nach aktuellen Angaben des Robert-Koch-Instituts erkranken jedes Jahr rund 6.000 Menschen in Deutschland an einer chronischen lymphatischen Leukämie. Die CLL gehört zu den fünf häufigsten Lymphomen und ist die häufigste Leukämie (30 % aller Leukämien) in Europa und Nordamerika. Betroffene, bei denen eine CLL erstmals diagnostiziert wird, sind im Durchschnitt 73 Jahre alt. Das Risiko, eine CLL zu entwickeln, nimmt mit dem Lebensalter zu. Aufgrund routinemäßiger Blutuntersuchungen wird sie aber zunehmend auch bei jüngeren Menschen diagnostiziert. Männer erkranken fast doppelt so häufig wie Frauen.

Die Ursachen dieser Erkrankung sind weitgehend unbekannt. Eine CLL wird im Laufe des Lebens erworben, kann aber nicht direkt vererbt werden. Dennoch scheinen genetische Faktoren eine Rolle zu spielen. So haben die Kinder von CLL-Erkrankten ein erhöhtes Risiko, später selbst an einer CLL zu erkranken. Ebenso haben möglicherweise Umweltfaktoren einen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung.

Allerdings gibt es keine klar umrissenen Risikogruppen oder ein Risikoverhalten, durch das die Erkrankung begünstigt wird. Erst zukünftige Studien werden sicher klären können, inwieweit bestimmte Umweltfaktoren die Entstehung einer CLL begünstigen.

 

 

Symptome

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Die Symptome und der Verlauf einer CLL sind individuell sehr verschieden. Da die Erkrankung meist schleichend beginnt und langsam voranschreitet, wird die CLL oft zufällig bei einer routinemäßigen Untersuchung des Blutes festgestellt, ohne dass diese Erkrankung bereits konkrete Beschwerden verursacht. Erkrankte in fortgeschritteneren Stadien bemerken häufig Schwellungen der Lymphknoten, teilweise können Leber- und Milzvergrößerungen ertastet werden. Viele Patientinnen und Patienten leiden außerdem unter so genannten B-Symptomen wie Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust. Ständig wiederkehrende Infekte, Müdigkeit und das Nachlassen der allgemeinen Leistungsfähigkeit können ebenfalls mit einer CLL einhergehen. Manchmal führen erst diese Beschwerden dazu, sich ärztlich untersuchen zu lassen.

Diagnostik

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Besteht der Verdacht auf eine CLL, so werden eine Reihe diagnostischer Untersuchungen durchgeführt. Sie dienen zur Absicherung der Diagnose und zur Therapieplanung. Weiterhin ermöglichen sie es, das Krankheitsstadium zu erfassen, die Prognose abzuschätzen und mögliche Komplikationen einzuschätzen.

Sicherung der Diagnose

Besteht aufgrund einer andauernden Erhöhung der Leukozyten (= weiße Blutkörperchen), insbesondere der Lymphozyten (= Leukozyten, die an der Immunabwehr beteiligt sind) der Verdacht auf eine CLL, so ist eine genaue Untersuchung des Blutes erforderlich. Mittels einer »Immunphänotypisierung« der Leukämiezellen können auf den Zelloberflächen die für eine CLL charakteristischen Merkmale bestimmt werden. Die CLL gilt als gesichert, wenn die Anzahl der veränderten B-Lymphozyten im Blut mehr als 5.000 pro Mikroliter (= 5.000/μl) beträgt und diese das für die CLL typische Oberflächenprofil CD5, CD19, CD20 und CD23 aufweisen. Die Entfernung eines Lymphknotens ist nur notwendig, wenn eine Abgrenzung der CLL von anderen Non-Hodgkin-Lymphomen durch die Blutuntersuchung nicht gelingt. Um Ursachen von Blutbildabweichungen wie zum Beispiel Anämien (= Blutarmut) abklären zu können, kann in Einzelfällen eine Knochenmarkuntersuchung notwendig sein. 

Um das Krankheitsstadium bestimmen zu können, müssen neben dem Blutbild auch die Lymphknotenregionen sowie die Leber- und Milzgröße beurteilt werden. Maßgeblich hierfür ist der sorgfältige Tastbefund bei der körperlichen Untersuchung. Um die Ausbreitung der CLL komplett zu erfassen, werden zusätzlich bildgebende Diagnoseverfahren (konventionelles Röntgen, Ultraschall, ggf. Computertomografie (CT)) eingesetzt.

 

 

Histologie

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Die CLL ist eine bösartige Erkrankung der Lymphozyten. Abhängig von bestimmten Eiweißmolekülen, die sich auf der Oberfläche der Lymphozyten befinden (so genannte Differenzierungsantigene, z.B. CD19, CD20), entstammen Lymphozyten entweder der B-Zellreihe (Zellreifung im Knochenmark) oder der T-Zellreihe (Zellreifung im Thymus). Die CLL entwickelt sich aus lymphatischen Zellen der B-Zellreihe.

Charakteristika der CLL (zusätzliche Fachinformation)

Typisch für die CLL ist eine starke Koexpression folgender Differenzierungsantigene: CD5, CD19, CD23. Das CD20 sowie zellmembranständiges Immunglobulin werden regelhaft schwach koexprimiert. Eine Leichtkettenrestriktion (kappa-oder lambda-Typ) beweist die Monoklonalität der Zellen. Im Blutausstrich dominieren kleine Lymphozyten mit einem schmalen, ungranulierten Zytoplasmasaum und einem rundlichen Zellkern mit dichtem, scholligem Kernchromatin. Gumprecht'sche Kernschatten sind typisch aber nicht pathognomonisch für den Blutausstrich einer CLL. Der Knochenmarkausstrich ist ebenfalls durch das Vorherrschen kleiner lymphatischer Zellen gekennzeichnet. Die feingewebliche Lymphknotenuntersuchung zeigt eine irreguläre Lymphknotenstruktur mit Verlust der Keimzentren und Infiltration des Lymphknotensinus durch kleine Lymphozyten.

Sonderformen der CLL

Von der CLL werden die häufige, sogenannte monoklonale B-Zell-Lymphozytose (MBL), das  kleinzellige lymphozytische Lymphom (SLL) und weitere seltenere Differentialdiagnosen abgegrenzt: Von einer MBL spricht man, wenn die Lymphozytenzahl im Blut unter 5000/µl beträgt (im Gegensatz zur CLL, bei der die Lymphozytenzahl im Blut bei Diagnosestellung über 5000/µl liegen muss) und darüber hinaus keine Lymphknoten- oder Milzvergrößerung, keine B-Symptome sowie keine Zytopenien vorliegen. Aus einer MBL kann sich später eine CLL entwickeln.

Besteht eine Vergrößerung von Lymphknoten oder der Milz aufgrund eines Befalls von CLL-typischen Zellen ohne dass die Lymphozytenzahl im Blut über 5000/µl liegt, spricht man von einem SLL, der aleukämischen Verlaufsform der CLL . Eine Prolymphozytenleukämie (PLL) liegt vor, wenn im Blut und im lymphatischen Gewebe Prolymphozyten überwiegen (>55% aller Lymphozyten). Die LGL-Leukämie ist nicht mit der CLL verwandt und durch große granuläre T-Lymphozyten (large granular lymphocytes) charakterisiert. Die so genannte Richter-Transformation ist eine Sonderform der CLL, bei der sich die chronische Leukämie zu einem aggressiven Lymphom weiterentwickelt.
 

Stadien & Risikofaktoren

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Festlegen des Krankheitsstadiums

Die Angabe des Krankheitsstadiums erfolgt in Europa im Rahmen der Binet-Klassifikation (Stadium Binet A, B oder C).

Stadieneinteilung CLL nach Binet                                                                                      

StadiumAnzahl befallener
            lymphatischer Regionen
            
            (Hals, Achsel, Leiste, Milz, Leber)
HämoglobinThrombozyten
A< 3 Regionen befallen≥ 10 g/dl≥ 100 × 103/μl
B≥ 3 Regionen befallen≥ 10 g/dl≥ 100 × 103/μl
Cirrelevant< 10 g/dl oder < 100 × 103/μl

Risikofaktoren

Eine CLL kann in sehr unterschiedlichen Verlaufsformen auftreten. Um den Krankheitsverlauf einzelner Erkrankter besser abschätzen und entsprechende Behandlungsansätze auswählen zu können, wurden in den letzten Jahren eine Reihe von Prognosefaktoren ermittelt. Unter anderen wird dabei auch das Genmaterial der CLL-Zellen untersucht. Mit einer Kombination von fünf wesentlichen Prognosefaktoren (= Internationaler Prognostischer CLL-lndex, CLL-IPI) lässt sich ein erhöhtes Risiko für einen raschen Verlauf berechnen:

  • Alter über 65 Jahre
  • fortgeschrittenes Stadium nach Binet oder Rai  
  • erhöhtes Serum-ß2 -Mikroglobulin
  • del (17p) oder Mutation von TP53
  • unmutiertes IGVH-Gen

Die Aussagekraft weiterer Prognosefaktoren ist wissenschaftlich noch nicht vollständig abgesichert und wird weiterhin in klinischen Studien überprüft.

 

17p-Deletion und TP53-Mutation

Eine besondere Situation ist der Verlust eines bestimmten Genabschnittes, die so genannte 17p-Deletion, durch die das Tumorsuppressorgen TP53 in CLL-Zellen fehlt. Manchmal kann auch das TP53-Gen selbst defekt sein, ohne dass der gesamte 17p-Genabschnitt fehlt (TP53-Mutation). Der vomTP53-Gen kodierte Tumorsuppressor p53 wirkt normalerweise hemmend auf die Zellteilung. Fällt er aus, so führt dies in der Regel zu einem raschen Fortschreiten der CLL bzw. zu einem oft nur kurzzeitig anhaltenden Ansprechen auf die Standardbehandlung. Wenn diese genetische Abweichung vorliegt und CLL-Patienten aufgrund ihrer Beschwerden und/oder ihres fortgeschrittenen Stadiums behandelt werden müssen, ist es gerechtfertigt, frühzeitig ein von der Standardtherapie abweichendes Behandlungsvorgehen zu wählen; so stellt eine Chemoimmuntherapie für diese Patienten keine sinnvolle Behandlungsoption dar.  Neue Therapieverfahren für Patienten mit einer 17p-Deletion oder TP53-Mutation werden laufend in klinischen Studien untersucht.

Einschätzung der Komplikationsgefahr

Bei der Erstdiagnose einer CLL und vor Beginn einer Behandlung werden alle Begleiterkrankungen (z.B. Bluthochdruck, Diabetes mellitus) sorgfältig erfasst und verschiedene Blutwerte (Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, Bilirubin, Transaminasen) bestimmt. Dies dient dazu, mit der Krankheit verknüpfte Komplikationen zu erkennen und die körperliche Fitness des Patienten richtig einzuschätzen. Zur Erfassung eines Antikörpermangels werden die Immunglobuline im Blut gemessen. Mittels des Coombs-Test sollen Antikörper gegen rote Blutkörperchen erkannt werden, die unter Umständen und begünstigt durch die Therapie eine Autoimmunhämolyse (Auflösung der roten Blutkörperchen) auslösen können. Weitere Bluttests dienen dazu, eine aktive oder durchgemachte Infektion mit Hepatitisviren oder dem Human Immune Deficiency Virus (HIV) auszuschließen.

Therapie

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Wie wird die CLL behandelt?

Obwohl die CLL eine ernsthafte Erkrankung ist, können viele Erkrankte aufgrund des langsamen Verlaufs mehrere Jahre ohne Therapie und ohne größere Einschränkungen mit dieser Krankheit leben. Ob und wie im einzelnen behandelt wird, hängt vom Krankheitsstadium, dem Krankheitsverlauf, eventuell vorhandenen Risikofaktoren und dem körperlichen Allgemeinzustand der Erkrankten ab:

"Watch and Wait“:

CLL-Erkrankte in frühen Stadien (Binet A/B), die keine krankheitsbedingten Beschwerden haben, werden meist im Rahmen einer „Watch and Wait“- Strategie (= beobachten & abwarten) zunächst nicht behandelt. Ihre Erkrankung soll aber durch regelmäßige Untersuchungen überwacht werden.

Medikamentöse Therapien:

Betroffene mit fortgeschrittenem Stadium (Binet C) oder mit krankheitsbedingten Symptomen (z.B. Müdigkeit, Gewichtsverlust, gehäufte Infektionen, starker Nachtschweiß), die einen erheblichen Verlust an Lebensqualität verursachen, werden behandelt. Die derzeitige Standardtherapie kennt mehrere sehr unterschiedliche Therapieansätze. Neben der Chemotherapie hat sich die chemotherapiefreie Behandlung etabliert.

Die Chemoimmuntherapie, d.h. eine Kombination aus Chemotherapie und einem monoklonalen Antikörper, wird in regelmäßigen Abständen - man spricht hier auch von Behandlungszyklen - über einen begrenzten Zeitraum verabreicht. Die Chemotherapie setzt sich aus einer oder mehreren Substanzen zusammen, die die Vermehrung der schnell wachsenden Leukämiezellen hemmen. Die monoklonalen Antikörper heften sich gezielt an die Oberflächen der CLL-Zellen und zerstören sie. Bei Erkrankten mit bestimmten Risikofaktoren, Begleiterkrankungen oder Vortherapien wird keine Chemoimmuntherapie gegeben. 

Die chemotherapiefreien Behandlungsmöglichkeiten bestehen aus spezifischen Inhibitoren (z.B. Ibrutinib, Acalabrutinib, Venetoclax oder Idelalisib, weitere sind in der Entwicklung), die bestimmte Signale der Tumorzellen unterdrücken können. Die Inhibitoren werden als Tabletten oder Kapseln eingenommen und können mit monoklonalen Antikörpern und/oder untereinander kombiniert werden. Sie werden entweder zeitlich begrenzt oder über einen längeren Zeitraum eingenommen. Die Kombination Venetoclax-Obinutuzumab wird über 12 Monate, die Kombination Venetoclax-Rituximab über 24 Monate eingenommen. Bei beiden Therapieformen kann es zu Nebenwirkungen kommen. Die häufigsten sind eine Abnahme von weißen Blutkörperchen und Blutplättchen. Unter Therapie sind an CLL Erkrankte besonders anfällig für Infektionen. Bei den chemotherapiefreien Therapien muss besonders darauf geachtet werden, dass bestimmte andere Medikamente nicht zeitgleich genommen werden, weil sie die Wirkung der CLL-Therapie verstärken oder beeinträchtigen könnten.

Allogene Stammzelltransplantation:

Abhängig vom körperlichen Allgemeinzustand wird bei Erkrankten mit einer ungünstigen Prognose gegebenenfalls auch eine Transplantation von Blutstammzellen eines gesunden Fremd- oder Familienspenders (= allogene Stammzelltransplantation) in Betracht gezogen. Aufgrund möglicher Unverträglichkeitsreaktionen sowie der erforderlichen Unterdrückung des Immunsystems ist diese Therapieoption mit erheblichen Risiken verbunden und wird nur bei ausgewählten Patient:innen durchgeführt.

Andere Therapieverfahren

Andere Therapieverfahren (z.B. Operation oder Strahlentherapie) haben bei der Behandlung einer CLL nur eine geringe Bedeutung. Die Behandlung mit CAR-T-Zellen (siehe auch KML-Broschüre zur CAR-T-Zell-Therapie) ist bei der CLL derzeit nur innerhalb von Studien möglich, da es keine zugelassenen CAR-T-Zellprodukte für die CLL gibt.

 

Richter Transformation

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Bei einigen Erkrankten (etwa 10 Prozent) beginnt die CLL, sich nach und nach in ein anderes Lymphom zu entwickeln, oft auch in eine schneller wachsende Form, zum Beispiel in ein diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL). Dieser Übergang wird als Richter-Transformation bezeichnet. Symptome für eine solche Transformation sind zum Beispiel die Zunahme von B-Symptomen sowie eine deutliche Schwellung von Lymphknoten und Milz. Bei einem Verdacht auf eine Richter-Transformation sind weitere Untersuchungen nötig, wie z.B. die Entnahme eines Lymphknotens oder weitere Blutuntersuchungen. 

Nebenwirkungen & Spätfolgen

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Für alle hier beschriebenen Therapiemöglichkeiten gilt leider die Regel: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Chemotherapeutische Wirkstoffe, Antikörper, neuere Medikamente und Stammzelltransplantationen haben neben der erwünschten Zerstörung oder Hemmung der Tumorzellen auch Auswirkungen auf gesunde Zellen, Gewebestrukturen oder Organe. Dabei unterscheidet man zwischen den akuten Nebenwirkungen, die während oder unmittelbar nach der Behandlung auftreten, und den Spätfolgen einer Behandlung. Während sich die akuten Nebenwirkungen meist in einem überschaubaren Zeitrahmen zurückbilden oder durch geeignete Maßnahmen während der Behandlung vermieden oder reduziert werden können, treten Spätfolgen oft erst Jahre nach der Behandlung auf.

Welche Nebenwirkungen haben Chemotherapien?

Akute Nebenwirkungen der Chemotherapie entstehen dadurch, dass die den Tumor angreifenden Substanzen auch gesunde Körperzellen beeinträchtigen. Betroffen sind insbesondere jene Zellen, die sich schnell teilen, wie z.B. die Schleimhäute in Mund und Darm, die Haarwurzeln und die blutbildenden Zellen des Knochenmarks. Die Stärke der Nebenwirkungen ist abhängig von der Art und Dosierung des Wirkstoffes, sie kann sich aber auch bei jedem Behandelten anders darstellen.

Übelkeit und Erbrechen, die häufig einige Stunden nach einer chemotherapeutischen Behandlung auftreten können, lassen sich durch entsprechende Zusatzmedikamente (= Antiemetika, Arzneimittel gegen Übelkeit und Erbrechen) erheblich abschwächen oder gar verhindern. Eintretender Haarausfall bildet sich nach dem Abschluss der Therapie fast immer zurück.

Durch die Chemotherapie kommt es außerdem zu einer vorübergehenden Störung der Blutbildung, aus der sich oft eine Blutarmut (= Anämie) entwickelt. Obwohl Patient:innen die Anämie nicht so schnell bemerken, ist besondere Vorsicht geboten. Denn fehlende weiße Blutzellen (= Leukopenie) und insbesondere das Fehlen von neutrophilen Granulozyten (= Neutropenie) erhöhen über mehrere Tage das Risiko, an einer lebensbedrohlichen Infektion zu erkranken, insbesondere im Bereich der Atmungsorgane. Um Lungenentzündungen oder Infekten im Mund oder im Hals- und Rachenraum vorzubeugen, empfehlen sich bei sehr niedrigen Leukozytenwerten (weniger als 1.000 Leukozyten pro Mikroliter) besondere Vorsichtsmaßnahmen, wie z.B. die Vermeidung von Menschenansammlungen oder die vorbeugende Einnahme von Antibiotika. Dass auch die roten Blutzellen geschädigt sind, zeigt ein sehr niedriger Hämoglobin-Spiegel (= Hb-Wert) im Blut an. Ein Mangel dieses Sauerstoffbindenden Blutfarbstoffs kann zu allgemeiner Schwäche, leichter Ermüdbarkeit und Kurzatmigkeit führen. Ein Mangel an Blutplättchen (= Thrombopenie) führt in seltenen Fällen zu spontanen Blutungen.

Aus der Gesamtproblematik heraus sollte das Blutbild regelmäßig während und nach einer Chemotherapie kontrolliert werden, um rechtzeitig Gegen- oder Vorsichtsmaßnahmen einleiten zu können. In manchen Fällen ist auch die Gabe von Medikamenten erforderlich, die das Wachstum von blutbildenden Zellen anregen. Diese Medikamente werden meist als Wachstumsfaktoren bezeichnet oder kurz G-CSF für engl. Granulocyte-Colony Stimulating Factor (= dt. Granulozyten-Kolonie stimulierender Faktor). Ganz selten ist eine Bluttransfusion notwendig. Eine Erholung des Blutbildes sollte vor jedem neuen Chemotherapiezyklus eingetreten sein. Auch die Herz- und Lungenfunktion sollten während und nach einer Chemotherapie regelmäßig überprüft werden. Ob diese durch die Chemotherapie beeinträchtigt werden, ist wiederum von den eingesetzten Medikamenten und der Gesamtdosis abhängig und kann sich bei jedem Behandelten anders darstellen. Manche Patient:innen entwickeln als langfristige Folge der Chemotherapie eine Herzschwäche.

Einzelne chemotherapeutische Wirkstoffe, insbesondere das Vincristin, können Schmerzen oder Gefühlsstörungen (Kribbeln, Pelzigkeitsgefühl) an Händen und Füßen auslösen. Diese nach und nach einsetzende Nebenwirkung wird mit dem Fachwort „Polyneuropathie“ bezeichnet. Je nach Ausmaß der Beschwerden sollte während der Therapie erwogen werden, das verursachende Medikament zu reduzieren oder ganz weg zu lassen. Meist entwickelt sich diese Gefühlsstörung dann zurück. Einige Patient:innen berichten aber auch von länger anhaltenden Polyneuropathien.

Als seltene, aber schwerwiegende Langzeitfolge nach einer Chemotherapie gilt das erhöhte Risiko, einige Jahre später Sekundärtumore zu entwickeln. Dabei handelt es sich um eine erneute Krebserkrankung, die wieder das lymphatische System betreffen kann, aber auch das Blut oder andere Organe.

Verträglichkeit des BTK-Inhibitors Ibrutinib

Die Einnahme des Kinaseinhibitors Ibrutinib kann häufig zu einem erhöhten Blutungsrisiko führen, daher dürfen bestimmte andere Medikamente, die ebenfalls das Blutungsrisiko erhöhen, wie z.B. Warfarin, nicht zusammen mit Ibrutinib eingenommen werden. Ebenfalls häufig können Fieber, Schüttelfrost, Körperschmerzen, Müdigkeit, Erkältungs- oder Grippesymptome auftreten. Infektionen durch Viren, Bakterien oder Pilze sowie Infektionen der Nase und Nasennebenhöhlen, des Rachens oder der Lunge zählen ebenfalls zu den häufigen Nebenwirkungen.  

Verträglichkeit des Antikörpers Rituximab

Der Antikörper Rituximab ist vergleichsweise gut verträglich, aber ebenfalls nicht frei von Nebenwirkungen. Insbesondere während der ersten Infusion kommt es bei einigen Patient:innen zu Fieber und Schüttelfrost. Manche Patient:innen berichten auch über Übelkeit, Schwäche, Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Schwellungen im Mund oder Rachenraum und Hautausschlag. Diese Beschwerden beginnen und enden meist innerhalb der Zeit, in der die Infusion durchläuft und können durch Zusatzmedikamente gut behandelt werden. Ursache dieser Nebenwirkungen kann die Überempfindlichkeit gegen den aus Eiweiß bestehenden Antikörper sein. Bei Betroffenen mit einer großen Tumorlast (= viele Lymphomzellen im Körper) treten die Nebenwirkungen auch bedingt dadurch auf, dass durch den Antikörper in relativ kurzer Zeit große Mengen von Tumorzellbestandteilen im Körper freigesetzt werden. Diese Beschwerden würden dann von Behandlung zu Behandlung abnehmen, da auch die Menge der Tumorzellen kontinuierlich im Verlauf der Therapie abnimmt.

Risiken der autologen Stammzelltransplantation

Ein Vorteil der autologen Stammzelltransplantation besteht darin, dass sich die übertragenen „eigenen“ Zellen auf jeden Fall mit dem Körper vertragen. Allerdings dauert es trotzdem mehrere Wochen, bis die Blutbildung und die Produktion von Abwehrzellen durch die übertragenen Stammzellen wieder in Gang gekommen ist. Mögliche Risiken und Belastungen ergeben sich in einem Zeitraum niedriger Leukozytenwerte (meistens ca. zwei Wochen nach der vorausgehenden Hochdosistherapie. In dieser Zeit sind die behandelten Personen abwehrgeschwächt und müssen stationär überwacht werden, um schwere Infektionen zu vermeiden bzw. um unmittelbar mit Antibiotika behandelt zu werden. Nach ca. drei Wochen können die Patient:innen in der Regel entlassen werden, aber häufig dauert es noch einige Wochen, bis der Allgemeinzustand vollständig wiederhergestellt ist.

Risiken der allogenen Stammzelltransplantation?

Speziell die allogene Stammzelltransplantation ist eine risikoreiche und belastende Behandlung, die nur in hochspezialisierten Transplantationszentren mit sterilen Isolierstationen durchgeführt werden kann. Risiken und Belastungen ergeben sich einerseits aus der vorausgehenden Hochdosistherapie (= Chemotherapie und ggf. Strahlentherapie), die das Knochenmark zerstört und die Immunabwehr des Erkrankten gänzlich zum Erliegen bringt. In dieser Zeit muss alles getan werden, um eine Infektion mit Krankheitserregern zu vermeiden. Welche konkreten vorbeugenden Maßnahmen und Verhaltensregeln sinnvoll sind, wird individuell in einem Aufklärungsgespräch im Transplantationszentrum besprochen.

Bei der allogenen Transplantation besteht zusätzlich die Gefahr, dass die transplantierten Stammzellen nicht im Knochenmark „anwachsen“. Und obwohl bei der allogenen Transplantation auf eine größtmögliche Übereinstimmung bestimmter Gewebemerkmale (= HLA-Merkmale) zwischen der spendenen und der empfangenden Person geachtet wird, tritt dennoch häufiger eine Unverträglichkeit der übertragenen Spenderzellen mit den Organen und dem Gewebe des Empfängers auf. Dies kann dazu führen, dass sich die übertragenen Abwehrzellen gegen die eigenen Gewebezellen richten. Schäden an Haut, Darm und Leber, die mitunter auch lebensbedrohlich werden, können die Folge sein. Eine solche Reaktion wird als Transplantat-gegen-Wirt- Reaktion bezeichnet. Diese Immunreaktion muss dann über einen längeren Zeitraum durch Medikamente (= Immunsuppressiva) unterdrückt werden und verlängert die Zeit, in der diese Patient:innen einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind.

 

 

 

 

 

Nachsorge

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An jede Behandlung der CLL schließt sich die Nachbeobachtung an: Zur exakten Dokumentation des Behandlungseffekts sind sorgfältige körperliche Untersuchungen, Blut- und Knochenmarkuntersuchungen sowie eventuell auch bildgebende Verfahren wie eine Röntgenuntersuchung, Ultraschall oder eine Computertomographie notwendig.

Innerhalb klinischer Studien werden zunehmend spezielle Labormethoden eingesetzt (Immunphänotypisierung, Polymerase-Kettenreaktion), um auch nur wenige, im Körper verbliebene Leukämiezellen nachzuweisen (so genannte Bestimmung der minimalen Resterkrankung, MRD).

Wenn die klinischen Kriterien eines Rückfalls oder Fortschreitens (Progression) der CLL erfüllt sind, muss eine erneute Behandlung begonnen werden, bei der meistens ein alternatives Therapieregime eingesetzt wird. Die MRD-Diagnostik sollte nur in klinischen Studien zur Indikationsstellung herangezogen werden. Außerhalb von Studien hat die MRD-Diagnostik bislang einen eher geringen Stellenwert.

Ausblick

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Welches Behandlungsergebnis ist zu erwarten?

Mit den medikamentösen Behandlungsstrategien lässt sich eine fortgeschrittene CLL zurückdrängen und das Voranschreiten der Erkrankung verzögern. Dadurch kann die Lebenszeit der meisten CLL-Erkrankten deutlich verlängert werden. Oft erhalten Patientinnen und Patienten mit einer CLL über viele Jahre mehrere Behandlungen, die immer wieder mit „Watch and Wait“-Phasen abwechseln

Studien der Deutschen CLL Studiengruppe

Die Therapie von Patientinnen und Patienten mit CLL sollte durch niedergelassene oder in Krankenhäusern und Kliniken tätige Fächärzt:innen für Hämatologie und Onkologie erfolgen. Die Behandlung der CLL wurde und wird vor allem mit Hilfe von klinischen Therapiestudien verbessert. Deshalb ist es auch für die Entwicklung zukünftiger Behandlungsstrategien wichtig, dass sich Erkrankte in Studien behandeln lassen. In Deutschland führt die Deutsche CLL Studiengruppe in Kooperation mit vielen Behandlungszentren Studien zur CLL durch und steht darüber hinaus Ärzt:innen und Patient:innen für Beratungen zur Verfügung. Die DCLLSG ist Mitglied im Kompetenznetz maligne Lymphome e.V. (KML).

Detaillierte Informationen zu allen klinischen Studien der Deutschen CLL-Studiengruppe befinden sich im KML-Lymphomstudienregister und auf der DCLLSG-Homepage.

Literatur

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Hallek M, Shanafelt TD, Eichhorst B: Chronic lymphocytic leukaemia. Lancet 2018; 391: 1524-37

Hallek M, Cheson BD, Catovsky D, et al.: iwCLL guidelines for diagnosis, indications for treatment, response assessment, and supportive management of CLL. Blood 2018, 131:2745-2760

Von Tresckow J, Hallek M, Eichhorst B: Individualisierte Therapie der Chronischen Lymphatischen Leukämie. Dtsch Med Wochenschr 2018; 143: 1318-1324

Fischer K, Hallek M: Optimizing frontline therapy of CLL based on clinical and biological factors. Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2017 Dec 8;2017(1):338-345

The International CLL-IPI working group. An international prognostic index for patients with chronic lymphocytic leukaemia (CLL-IPI): a meta-analysis of individual patient data. Lancet Oncol. 2016 Jun;17(6):779-90