G. Kremer. Mit der Diagnose einer Tumorerkrankung rückt das Thema Ernährung oder Ernährungsumstellung für viele Patienten und ihre Angehörige in den Fokus. Ein häufiger Leitgedanke ist: „Ich will die Verantwortung nicht an der Garderobe der Arztpraxis abgeben, sondern selbst etwas tun.“ Oft gibt es auch die Erwartung, mit einer speziellen Ernährungsweise das Risiko für eine Tumorerkrankung zu minimieren oder eine bestehende Erkrankung durch eine besondere Diät positiv zu beeinflussen. Die hierzu praktizierten Ernährungsweisen sind häufig nur durch Einzelberichte bekannt, sehr unterschiedlich und zum Teil sogar recht abenteuerlich: „Kein Treibstoff für den Krebs“, „Ohne Zucker gegen den Krebs“, „WHO warnt vor zu viel Wurst-Verzehr“ oder: „Wenn Essen zur Ideologie wird“, so lauten einige Buchtitel zu dem Thema. Ernährungstrends, die in diesem Kontext auftauchen, sind der Ovo-Lacto-Vegetarismus (weder Fleisch noch Fisch, aber Lebensmittel von lebenden Tieren wie Eier, Milchprodukte und Käse), Veganismus (Verzicht auf alle Nahrungsmittel tierischer Herkunft), Frutarismus (vegane Ernährung bei zusätzlichem Verzicht auf Pflanzen, die bei der Ernte Schaden nehmen) oder Clean Eating (frisch zubereitete Mischkost bei Verzicht auf Fastfood oder industriell vorgefertigte Nahrung). Häufig anzutreffende "Krebsdiäten" wollen den Tumor durch den Verzicht auf Zucker „aushungern“ oder die Erkrankung durch den Verzicht auf rotes Fleisch positiv beeinflussen.
Die Arbeitsgemeinschaft Prävention und Integrative Onkologie (PRiO) hat sich in einer Stellungnahme deutlich gegen eine Anwendung der kohlenhydratarmen Diät ausgesprochen, da zum derzeitigen Zeitpunkt keine wissenschaftlichen Untersuchungen beweisen würden, dass eine derartige Kost das Wachstum des Tumors behindern oder die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Chemo- oder Strahlentherapie positiv beeinflussen würden. Da sich Krebszellen in erster Linie von Zucker ernähren und sich bei reduzierter Zuckerzufuhr aus den Depots im Körper bedienen, indem z.B. Muskelmasse in Zucker umgebaut wird, ist diese Ernährungsform nicht wirklich sinnvoll. Gegen eine Einschränkung der Zufuhr der reinen Kohlenhydrate (Zucker und zuckerhaltige Nahrungsmittel) spricht natürlich nichts, allerdings sollte man diese Theorie nicht überbewerten und auch kritisch sehen. Das gleiche gilt auch für den Verzehr von rotem Fleisch. Zu empfehlen ist stattdessen eine ausgewogene Mischkost, die ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche und nicht jeden Tag Fleisch oder Wurst enthält. Generell gilt ein Verzehr von 300 bis 600 Gramm pro Woche als unbedenklich.
Insbesondere Obst und Gemüse sollten der Jahreszeit entsprechen, der Fettverzehr sollte gemäßigt sein. Ganz wichtig ist es, die vielen guten Ernährungsratschläge kritisch zu hinterfragen. Eine Umstellung auf eine spezielle Ernährungsform kann langfristig zu Nährstoffdefiziten führen. Auch eine Substitution von Vitaminen und Spurenelementen ist bei einer ausgewogenen Mischkost nicht notwendig. Ebenso ist der Verbrauch von speziellen Nahrungsmitteln, seien sie als laktosefrei oder vegan auf dem Markt erhältlich, kritisch zu bewerten. Diese Nahrungsmittel sind zum Teil extrem behandelt und beinhalten zu viele zugesetzte Aroma- und Geschmacksstoffe.
Patienten mit Tumorerkrankungen, die den Verdauungstrakt beeinflussen, oder bei denen es aufgrund ihrer Therapien zu Ernährungsproblemen kommt (Appetitlosigkeit, vorzeitige Sättigung, Entzündung der Schleimhäute des Mundes oder des Magen-Darm-Trakts) und eine normale bedarfsdeckende Nahrungsaufnahme nicht möglich ist, sollten immer Zugang zu einer Ernährungsberatung haben. Diese werden zunehmend von vielen onkologischen Behandlungszentren angeboten mit dem Ziel, Ernährungsprobleme rechtzeitig zu erkennen und durch entsprechende Maßnahmen zu behandeln. Einige Zentren bieten Patientenseminare zum Thema „Ernährung für Krebspatienten“ an.
(entnommen aus: KML-Newsletter 29, Juli 2019, S. 12)