Als Post-Transplantations-Lymphome wird eine Gruppe bösartiger Erkrankungen bezeichnet, die nach Organtransplantationen und der in diesem Zusammenhang notwendigen immunsuppressiven Therapie (= Unterdrückung des Immunsystems) auftreten können. Sie gehen von den lymphatischen Zellen des Immunsystems aus und werden auch als posttransplantations-lymphoproliferative Erkrankungen (engl. = Post-Transplant Lymphoproliferative Disorder, abgekürzt PTLD) bezeichnet.

Häufigkeit & Ursache

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Häufigkeit

Post-Transplantations-Lymphome sind sehr seltene Erkrankungen. Wenn man 10.000 transplantierte Patienten über 10 Jahre beobachtet, erkranken etwa 200 von ihnen an einer PTLD – das entspricht einem Anteil von etwa zwei Prozent der Patienten. Bei ca. 3.500 jährlichen Organtransplantationen in Deutschland kann die Fallzahl sehr grob auf 50-100 Patienten pro Jahr geschätzt werden. 
PTLD treten vom Kindesalter bis ins hohe Erwachsenalter gleichermaßen auf. Das Risiko, an einer PTLD zu erkranken, ist nach einer kombinierten Herz-Lungentransplantation mit fünf bis sechs Prozent besonders hoch. Für Leber- und Nierentransplantierte wird ein Risiko von etwa einem Prozent angenommen. Auch nach einer Stammzelltransplantation besteht ein Risiko, an einer PTLD zu erkranken, welches aufgrund der häufig nur kurzen Phase der immunsuppressiven Therapie aber sehr klein ist.Ursache

Ursache

Die Entstehung der PTLD ist im Detail noch nicht verstanden. Wir wissen, dass eine eingeschränkte Funktion des Immunsystems mit einem erhöhten Risiko für Lymphome einhergeht. Im Fall der PTLD wird das Immunsystem durch die Einnahme immunsuppressiver Medikamente bewusst gebremst und damit die Abstoßung des transplantierten Organs durch das Immunsystem verhindert. Allerdings hemmen die Immunsuppressiva auch einen der körpereigenen Schutzmechanismen, der eigentlich die Entwicklung bösartiger Erkrankungen verhindert.

In etwa 40 Prozent der PTLD ist in den bösartigen Zellen das Epstein-Barr-Virus (EBV) nachweisbar, diese PTLD werden dann als EBV-assoziiert bezeichnet. Etwa 90 Prozent der Bevölkerung haben eine Infektion mit diesem Virus durchgemacht: Die Ansteckung findet typischerweise in der Jugend statt und wird meist innerhalb von Tagen entweder unbemerkt oder als „fieberhafter Infekt“, manchmal innerhalb von Wochen oder Monaten als „Pfeiffersches Drüsenfieber“ erfolgreich überwunden. Allerdings wird das Virus nicht vollständig aus dem Körper entfernt, sondern verbleibt inaktiv in B-Zellen des Immunsystems. Mit der Einnahme von Immunsuppressiva kommt es bei einigen Patienten zu einer „Reaktivierung“ des Virus. In diesen Fällen kann dann die Vermehrung des Virus zur Entwicklung der PTLD beitragen.
 

Symptome

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Grundsätzlich sollten transplantierte Patienten bei jeder Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes einen Arzt aufsuchen, der Erfahrung in der Transplant-Nachsorge besitzt. Im Rahmen der Abklärung der Beschwerden können auch seltene Erkrankungen wie PTLD erkannt werden. Die durch die PTLD ausgelösten Beschwerden sind von Patient zu Patient sehr verschieden. Manche Patienten sind beschwerdefrei und der Verdacht auf eine PTLD entsteht bei einer Routineuntersuchung. Am anderen Ende des Spektrums stehen Patienten mit ausgeprägten, als B-Symptome bezeichneten Allgemeinsymptomen. Hierzu gehören unerklärtes, anhaltendes, periodisches Fieber, ein Gewichtsverlust von mehr als zehn Prozent des Körpergewichts in den letzten sechs Monaten, starker Nachtschweiß (Wäschewechsel erforderlich) und allgemeiner Leistungsabfall sowie Schwächegefühl. Häufig sind auch schmerzlose Lymphknotenvergrößerungen am Hals, unter den Achseln oder an der Leiste. Abhängig davon, wo im Körper die Erkrankung in Erscheinung tritt, kann es zu weiteren Beschwerden kommen: Bei einem Befall von Magen oder Darm zum Beispiel zu Blutungen oder bei einem Befall des Gehirns zu Verwirrung, Schwäche oder Sehstörungen.

Diagnose

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Am Anfang steht die Anamnese, also das ausführliche ärztliche Gespräch über Beschwerden, mögliche Risikofaktoren für PTLD und Vorerkrankungen. Darauf folgt die körperliche Untersuchung, insbesondere auf tastbare Lymphknoten an Kopf, Hals, Achseln und Leisten sowie des Herzens, der Lunge und des Bauches. Zusätzlich erfolgt eine Reihe von Blutuntersuchungen. Meist wird hier bereits getestet, ob EBV im Blut nachweisbar ist. Das Vorliegen einer erhöhten EBV-Last ist aber noch kein Beweis für das Vorliegen einer PTLD.

Die weiteren Tests sollen klären, ob eine PTLD vorliegt, um welchen Subtyp es sich handelt und welche Organe betroffen sind. Aufgrund der großen Bandbreite verschiedener PTLD-Formen können diese Untersuchungen hier nur verkürzt dargestellt werden. Die eigentliche PTLD-Diagnose wird von einem Hämatopathologen direkt am Tumorgewebe gestellt. Hierfür ist die Entnahme einer Gewebeprobe erforderlich. Wie diese Gewebeprobe gewonnen werden kann, hängt davon ab, welches Organ betroffen ist. Häufig wird beispielsweise operativ ein Lymphknoten entnommen. In anderen Fällen erfolgt eine Gewebeentnahme mithilfe einer Hohlnadel durch die Haut (= perkutan) oder eine Biopsie im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung (z.B. Bauch-/Darmspiegelung). Um die Ausbreitung des Lymphoms im Körper zu bestimmen, erfolgt eine Computertomografie (CT) von Hals, Brustkorb, Bauch und Becken mit einem durch die Vene zugeführten (= intravenösen) Kontrastmittel, eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Kopfes und eine Knochenmarkpunktion. In manchen Fällen wird auch eine 18F-Fluordesoxyglukose (18F-FDG)-Positronenemissionstomografie durchgeführt. Je nach Subtyp oder betroffenen Organen können weitere Untersuchungen erforderlich sein. 

Histologie

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Die PTLD sind keine einheitliche Erkrankung, denn innerhalb dieser Gruppe gibt es ein breites Spektrum von Ausprägungen, die sich in Hinblick auf ihre Symptome, ihren Gewebeaufbau und ihre molekularen Eigenschaften unterscheiden. Darin ähneln die PTLD jenen Lymphomen, die bei Patienten auftreten, die keine immunsuppressiven Medikamente einnehmen. Unterschiede bestehen darin, dass PTLD in der kleinen Gruppe der Organtransplantierten häufiger sind, als Lymphome in der Gesamtbevölkerung auftreten. Des Weiteren zeigt sich die Erkrankung auch öfter in Organen und damit außerhalb der Lymphknoten. Man spricht dann von einem extranodalen Befall. Entscheidende Unterschiede sind aber die aufgrund der Immunsuppression stark erhöhte Anfälligkeit der Patienten für Infektionskrankheiten und die erweiterten therapeutischen Möglichkeiten jenseits von Chemotherapie.

Therapie

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Die PTLD sind eine uneinheitliche Gruppe von Erkrankungen und transplantierte Patienten haben eine erhöhte Anfälligkeit für Therapiekomplikationen. Daher ist das Grundprinzip der Therapie ein schrittweises, aber konsequentes Vorgehen. Abhängig vom Ansprechen der Erkrankung auf erste Therapieschritte werden im weiteren Verlauf wirksamere, aber auch mit mehr möglichen Nebenwirkungen einhergehende Therapien eingesetzt. Leider kann aus der Gewebeuntersuchung (= Histologie) oder dem Vorliegen einer EBV-Assoziation nicht auf den klinischen Verlauf oder das Therapieansprechen geschlossen werden.

Die Verringerung der Immunsuppression ist der erste Schritt in der Therapie der PTLD. Sie hat zum Ziel, eine Kontrolle der PTLD durch das körpereigene Immunsystem zu erreichen, ohne jedoch die Funktion des transplantierten Organs zu gefährden. Sie sollte abhängig von der aktuellen Funktion des transplantierten Organs, bisher aufgetretenen Nebenwirkungen und vorherigen akuten Abstoßungen durch den betreuenden Transplantationsmediziner vorgenommen werden. Mit wenigen Ausnahmen ist aber die rasche Einleitung weiterer therapeutischer Maßnahmen unverzichtbar. Diese orientieren sich an der vorliegenden Subgruppe der PTLD.

Auf den PTLD-Zellen der bei weitem größten Subgruppe der Erkrankten befindet sich das Oberflächenmerkmal „CD20“. Dieses kann von bestimmten Antikörpern erkannt und gezielt angegriffen werden. Die Daten aus großen, internationalen, prospektiven Studien haben hier eine Risiko-stratifizierte sequentielle Therapie als weltweit akzeptierten Standard etabliert. Dabei wird die Art der Behandlung davon abhängig gemacht, wie die einzelnen Patienten auf die jeweiligen Therapiezyklen Ansprechen:

Therapieschema der Risiko-stratifizierten sequenziellen Therapie (nach Trappe et al., 2017). R-CHOP-21 = Chemoimmuntherapie mit Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon alle 21 Tage; CT = Interimstaging mittels Computertomographie; CR = Komplette Remission, also vollständige Rückbildung der Erkrankung; Progression = Fortschreiten der Erkrankung

Hiernach erhalten alle Patienten anfangs vier wöchentliche Gaben des monoklonalen anti-CD20-Antikörpers Rituximab. Nach insgesamt acht Wochen wird in einer computertomografischen Verlaufskontrolle (CT) überprüft, ob sich die PTLD vollständig zurückgebildet hat. Wenn ja, kann die alleinige Rituximab-Therapie fortgesetztwerden. In allen anderen Fällen sind zwingend vier Zyklen einer Chemoimmuntherapie nach dem Schema R-CHOP-21 erforderlich. Dies ist eine in der Lymphomtherapie weitverbreitete und bewährte Kombination aus Rituximab und dem Chemotherapieschema CHOP, bestehend aus den vier Medikamenten Cyclophosphamid, Doxorubicin (Hydroxydaunorubicin), Vincristin (Onkovin) und Prednisolon. Zwischen den R-CHOP-Gaben ist eine 21-tägige Pause vorgesehen. Zur Unterstützung der Erholung des Immunsystems nach Chemo-therapie ist die Gabe von Granulozytenkolonie-stimulierendem Fak-tor (G-CSF) erforderlich. Dieses Medikament regt die Bildung der zur Infektabwehr besonders wichtigen weißen Blutzellen an. Dar-über hinaus ist unbedingt eine vorbeugende antibiotische Therapie (Prophylaxe) zur Verhinderung einer durch den Erreger Pneumocys-tis jirovecii ausgelösten Lungenentzündung (= Pneumocystis-Pneu-monie) zu empfehlen.

Nebenwirkungen & Spätfolgen

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Die wichtigste Nebenwirkung einer PTLD-Therapie mit Rituximab und Chemotherapie sind schwere Infektionen, mit welchen bei etwa 30 Prozent der Patienten unter Chemotherapie zu rechnen ist. Der Verzicht auf eine Chemotherapie aus Angst vor Nebenwirkungen ist jedoch mit einer deutlich erhöhten Sterblichkeit verbunden. Vor einer Therapie wird der Arzt den Patienten im Detail über alle zu erwartenden Nebenwirkungen aufklären. Wichtig ist: sollte es dem Patienten nach einer Therapie in irgendeiner Weise schlecht gehen oder Fieber über 38,5 Grad Celsius auftreten, sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden!

In Einzelfällen, insbesondere wenn die PTLD auf eine bestimmte Körperregion begrenzt auftritt, kann bei bestimmten PTLD-Subgruppen auch eine Strahlentherapie durchgeführt werden. Für seltene histologische Subgruppen und PTLD mit Befall besonderer Organstrukturen, wie zum Beispiel des Gehirns, gelten ebenfalls abweichende Therapieschemata. Behandelnden Ärzten steht immer auch die Möglichkeit der individuellen Therapieberatung durch den ärztlichen Leiter der Deutschen PTLD-Studiengruppe offen.
 

Nachsorge

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Für alle Patienten beginnt nach der Therapie ein engmaschiges Nachsorgeprogramm. Besonders am Anfang wird genau untersucht, ob die PTLD auch wirklich verschwunden ist oder wieder auftritt (= Rezidiv). Neben dem Ausschluss eines Rezidivs muss bei der Nachsorge auch auf Spätfolgen der Therapie, wie beispielsweise Störungen der Blutbildung, eine Einschränkung der Herzfunktion und das Auftreten von neuen anderen Tumoren, sogenannten Sekundärneoplasien, geachtet werden.

Die Nachsorgeuntersuchungen sollten im ersten Jahr nach Abschluss der Therapie alle drei Monate durchgeführt werden und folgende Punkte beinhalten:

 

  • Befragung des Patienten nach dessen Gesundheit und Wohlbefinden (= Zwischenanamnese)
  • körperliche Untersuchung
  • Kontrolle der Laborwerte
  • bildgebende Verfahren (CT/MRT Hals, Bauch- und Brustraum, Becken bzw. Thorax-Röntgen, Sonografie Bauch- und Brustraum)

 

Im zweiten Jahr nach Therapieende können die Abstände der Nachsorgeuntersuchungen auf sechs Monate ausgedehnt werden. Im dritten bis fünften Jahr erfolgen sechs weitere Nachuntersuchungen im Abstand von sechs Monaten. Allerdings werden bildgebende Untersuchungen nur bei klinischem oder labortechnischem Verdacht auf eine fortschreitende Erkrankung durchgeführt.

Ausblick

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Grundsätzlich sind die PTLD lebensbedrohliche Erkrankungen, die aber bei einem erheblichen Teil der Patienten erfolgreich therapiert werden können. Viele Patienten haben auch nach fünf oder mehr Jahren keinen Erkrankungsrückfall, sodass man vorsichtig von einer heilbaren Erkrankung sprechen kann. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die Therapie nicht wie gewünscht wirkt oder Patienten an Komplikationen der Therapie versterben. Die individuelle Prognose des Patienten wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt. Zu diesen zählen neben Alter, Organfunktion und allgemeiner Verfassung zum Zeitpunkt der PTLD-Diagnose auch die genaue Subgruppe, die Ausbreitung der PTLD im Körper sowie die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie. Langfristig haben aber auch die zur Transplantation führende Erkrankung und das transplantierte Organ Einfluss auf die Prognose.

Die Behandlung der PTLD wird vor allem mit Hilfe von klinischen Therapieoptimierungsstudien weiterentwickelt und verbessert. Daher sollten alle PTLD-Patienten im Rahmen von solchen Studien behandelt werden. Die Deutsche PTLD-Studiengruppe führt klinische Studien zu dieser Erkrankung durch und empfiehlt Krankenhäuser und Facharztpraxen, die auf die Behandlung der PTLD spezialisiert sind.

Die erfolgreiche Behandlung der PTLD erfordert eine enge Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachrichtungen. Dies umfasst spezialisierte Transplantationsmediziner, Pathologen und Hämato-Onkologen, die Erfahrung in der Diagnose und Therapie der PTLD besitzen. Trotz ihrer Seltenheit sind alle Transplantationszentren mit der Erkrankungsgruppe der PTLD vertraut. Wir empfehlen daher nach einer PTLD-Diagnose in jedem Fall (so nicht bereits erfolgt) die Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Transplantationszentrum. Die PTLD-Therapie selbst muss bei einem mit der Erkrankung besonders vertrauten Hämato-Onkologen erfolgen.
Die Deutsche PTLD-Studiengruppe e.V. (DPTLDSG) ist ein Zusammenschluss von Transplantationsmedizinern, Pathologen und Hämato-Onkologen mit dem Ziel, die Therapie der PTLD zu optimieren. Die DPTLDSG kann Ihnen auch die Kontaktdaten von Ärzten vermitteln, die besonders viel Erfahrung in der Therapie der PTLD haben.

Deutsche PTLD-Studiengruppe
Prof. Dr. med. Ralf Ulrich Trappe
Chefarzt Medizinische Klinik II - Hämatologie und Internistische
Onkologie
DIAKO, Ev. Diakonie-Krankenhaus gemeinnützige GmbH
Gröpelinger Heerstraße 406 - 408, D-28239 Bremen
r.trappe@diako-bremen.de
Tel.: 0421 6102-1481, Fax: 0421 6102-1439
www.dptldsg.de

Die Deutsche PTLD-Studiengruppe ist Mitglied im Kompetenznetz Maligne Lymphome e.V. (KML). Auf den KML-Internetseiten www.lymphome.de finden Ärzte und Patienten alle wichtigen Informationen zu aktuellen Lymphomstudien und können nach Krankenhäusern und Facharztpraxen suchen, die an diesen Studien teilnehmen und dadurch auf die Behandlung der PTLD spezialisiert sind.

Literatur

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Vikas Dharnidharka, Michael Green, Steven Webber, Ralf Ulrich Trappe (Hg.): Post-Transplant Lymphoproliferative Disorders. 2. Auflage 2021 (Springer)
DOI: 10.1007/978-3-030-65403-0

Trappe RU, Dierickx D, Zimmermann H, et al. Response to Rituximab Induction Is a Predictive Marker in B-Cell Post-Transplant Lymphoproliferative Disorder and Allows Successful Stratification Into Rituximab or R-CHOP Consolidation in an International, Prospective, Multicenter Phase II Trial. J Clin Oncol. 2017;35(5):536-543.