Mantelzell-Lymphome gehören zu den seltenen Krebserkrankungen. In Europa und Nordamerika erkranken jedes Jahr etwa 1 bis 2 von 100.000 Menschen neu an einem Mantelzell-Lymphom - das sind in Deutschland etwa 1.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Am häufigsten erkranken Menschen in einem höheren Lebensalter (im Mittel 65 Jahre), aber auch jüngere Menschen können ein Mantelzell-Lymphom bekommen. Männer sind ungefähr viermal häufiger betroffen als Frauen.
Anschwellen der Lymphknoten und der Milz
Die meisten Zellen unseres Körpers leben nur eine begrenzte Zeit und müssen fortlaufend ersetzt werden. Dies geschieht, indem Zellen sich teilen. Durch die Zellteilung entstehen aus einer Ursprungszelle zwei identische Tochterzellen. Dieser Prozess ist vergleichbar mit einem Kopiervorgang, bei dem sämtliche Informationen einer Zelle verdoppelt werden. Durch einen Fehler kann der natürliche Zellzyklus aus den Fugen geraten, so dass die Zelle sich immer weiter teilt und dabei den „Kopierfehler“ an viele Tochterzellen weitergibt.
Die Vermehrung und Spezialisierung von B-Lymphozyten vollzieht sich in sogenannten Keimzentren, die auch Lymphfollikel genannt werden. Das sind kugelförmige, zu ihrer äußeren Umgebung abgegrenzte B-Zellanhäufungen, die überall dort vorkommen, wo es viele Krankheitserreger zu bekämpfen gibt - also vor allem in den Lymphknoten, der Milz und in den Rachenmandeln. Beim Mantelzell-Lymphom kommt es zu einer enormen Vermehrung von „fehlerhaften“ B-Lymphozyten. Unter dem Mikroskop erkennt man, dass diese MCL-Zellen jenen B-Lymphozyten ähneln, die normalerweise im Randbereich – der sogenannten Mantelzone – von Lymphfollikeln zu finden sind. Fachleute gehen davon aus, dass die MCL-Zellen Fehlentwicklungen jener Mantelzellen sind, wodurch auch der Name dieser Erkrankung geprägt wurde. Diese für die Abwehr funktionslosen Tumorzellen häufen sich zunächst dort an, wo sie gebildet werden – also zum Beispiel in den Lymphknoten und/oder der Milz. Durch die Anhäufung dieser Tumorzellen entstehen Schwellungen zunächst einzelner, bei weiterer Ausbreitung der Tumorzellen über den ganzen Körper auch mehrerer Lymphknoten oder der Milz.
Ursache des Mantelzell-Lymphoms
Die genaue Ursache des Mantelzell-Lymphoms und wie es zur Entstehung dieser Krankheit kommt, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Bei rund 85 Prozent der Menschen mit einem Mantelzell-Lymphom weisen die Tumorzellen eine genetische Veränderung (Mutation) auf.
Träger sämtlicher genetischer Informationen sind die Chromosomen, die beim Menschen in 23 verschiedenen Paaren vorkommen und im Zellkern jeder Körperzelle zu finden sind. Die Tumorzellen von Patient:innen mit Mantelzell-Lymphomen zeigen eine Veränderung an den Chromosomenpaaren 11 und 14. Diese entstand während eines Zellteilungsvorgangs, bei dem es offensichtlich zu einem Bruch am Chromosom 11 kam, und zwar genau an der Stelle, wo das Gen für die Produktion des Eiweißes „Cyclin-D1“ sitzt. Außerdem kam es zu einem Bruch am Chromosom 14, genau an der Stelle, wo sich ein Gen zur Steuerung der Antikörperbildung befindet. Im Verlauf der Zellteilung müssen die beiden Bruchstücke ihre Plätze getauscht haben und schließlich am jeweils falschen Chromosom wieder angewachsen sein.
Ein solcher Austausch von Chromosomenstücken, verbunden mit einem Austausch von darauf befindlichen Genen, wird als Translokation (= Ortswechsel) bezeichnet und von Wissenschaftlern mit dem Kürzel t(11;14)(q13;32) näher beschrieben. Diese Chromosomenveränderung entsteht rein zufällig, während sich die B-Lymphozyten teilen und spezialisieren, um ihre Aufgabe bei der Abwehr von Krankheitserregern zu erfüllen. Sie führt allerdings dazu, dass der veränderte B-Lymphozyt seine ursprüngliche Funktion verliert und innerhalb seines Zellkerns mit der Überproduktion des Eiweißes Cyclin D1 beginnt. Dieses oft auch als MCL-Tumormarker bezeichnete Eiweiß unterstützt und steuert die Teilung und das Wachstum von Zellen und sorgt beim Mantelzell-Lymphom dafür, dass sich die Tumorzellen stark vermehren und nicht absterben.
Obwohl die Translokation t(11;14)(q13;32) eine wesentliche Rolle bei der Entstehung des Mantelzell-Lymphoms einzunehmen scheint und häufig als Auslöser für die Erkrankung beschrieben wird, konnte nachgewiesen werden, dass die alleinige Überproduktion von Cyclin D1 für die Entstehung des Mantelzell-Lymphoms nicht ausreichend ist.
Bei nahezu allen Mantelzell-Lymphomen scheinen weitere genetische Veränderungen eine Rolle zu spielen, die für den Verlauf der Erkrankung und möglicherweise auch für die Entstehung der Erkrankung entscheidend sind. Um welche zusätzlichen Veränderungen es sich dabei handelt, ist jedoch größtenteils noch unbekannt. Unklar ist auch, warum es bei einigen Menschen - und zwar häufiger bei Männern - zu einer fehlerhaften Veränderung der B-Lymphozyten kommt. Es gibt keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit Infektionen oder einer ererbten Veranlagung für diese Erkrankung.